Möwen

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Wie weisse Bowlingkegel oder kleine, ergraute Kantonswächter stehen sie brav und stramm geordnet in Reih und Glied auf dem Geländer der Fussgängerbrücke zwischen Basel und Birsfelden.

Passiert eine Person die Brücke, wirkt das auf einige Möwen wie eine bedrohlich heranrollende Bowlingkugel.
Aufgeschreckt suchen sie schnell und lautstark protestierend das Weite.
Andere halten ihre Stellung pflichtbewusst, eventuell auch aus Bequemlichkeit, inne.

Meine Geliebte und ich machen uns jeweils einen Sport daraus zu erraten, wer sich nicht in die Luft erhebt.

Gestern kam mir die Idee eines Möwenspiels. Wie wäre es, Passanten erraten zu lassen, welche Möwen wie reagieren?
Der Wetteinsatz von 2 Franken bleibt beim Wettbüro, wenn die Prognosen zu 80% nicht zutreffen.
Ab 81% Trefferquote zahlt das Büro drei Franken Gewinn aus.

Ein solches Spiel könnte ich in Aberdeen nicht machen. Diese schottische Stadt, deren Granithäuser ihr eine herb kühle Ausstrahlung verleihen, rühmt sich das Finanz-und Logistikzentrum der Ölförderung in der Nordsee zu sein.

Die wahren Chefs von Aberdeen sind für mich aber die Möwen. Ich nenne sie Pub-Möwen und fliegende Hooligans.
24 Stunden am Tag erfüllt ihr Kreischen die Stadt, erinnerte mich an das trunkselige Gejohle vor und in den lokalen Pubs.
Hooligans, weil niemand auf den Strassen Aberdeens sicher sein kann vor dem grossen und kleinen Geschäft dieser Vögel, deren Vitalität und Souveränität mich tief beeindruckten.

Ihr Gebaren weckte in mir Erinnerungen an Textstellen des Songs “Siamo dei” – “Wir sind Götter” von Lucio Dalla.
In diesem liess der verstorbene italienische Künstler Götter zu Wort kommen, welche sich ihrer Erhabenheit und ihrer Freiheit rühmten, sich gleichzeitig über Menschen lustig machten, die an Mutter Erde gebunden, einen anspruchsvollen Alltag zu bewältigen hatten.

Verglichen mit ihren Verwandten im Nordosten Schottlands wirken die Möwen an der Birs zivilisiert, angepasst, berechenbarer, für ein Möwenspiel also wesentlich geeigneter.

Erster Februartag 2022

1 Kommentar

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  • Lieber Markus
    Vielen Dank für deine schönen Texte.
    Habe sie schmunzelnd zur Kenntnis genommen.
    Covid geht langsam zu Ende, die Lethargie weicht von uns. Und sie Möven sehe ich auch so wie du, stets präsent in Luzern, um Touris aus aller Welt zu bekrächtsen, sprich begrüssen.
    Wünsche dir ein sonniges Weekend.
    Lieben Gruss
    Beat