Eine strube Zeit

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In der Nordwestschweiz scheint die Sonne sich ausgiebig von einer anstrengenden Silvesternacht zu erholen.
Das kühle Grau draussen unterstützt die Empfehlung unserer Regierung zu Hause zu bleiben und Kontakte zu meiden.

Mann hat Lust sich draussen zu erfrischen.
Als er die Haustüre öffnet, stammeln zwei junge Damen “Entschuldigen Sie bitte!” Sie haben das Gefühl mit ihrem Plaudern gestört zu haben.
Ist es jetzt verboten auf dem Trottoir zu sprechen und zu lachen?
Er beschwichtigt und wünscht ein gutes 2021.

Auf dem Spaziergang denkt er an seine Mutter.
Seit 18 Monaten lebt sie in einem Alters- und Pflegeheim an der Grenze zu Deutschland.
Seit 2 Tagen hat sie Zimmerarrest.

Vor 4 Tagen wurden in ihrem Heim fast achtzig Bewohner*innen Covid-Impfungen verabreicht.
Um dieser Premiere im Kanton einen würdigen Rahmen zu geben waren der kantonale Gesundheitsdirektor und die Kantonsapothekerin anwesend.

Zur allgemeinen Überraschung verzichtete meine Mutter auf die Impfung. Viermal wurde sie von den Pflegenden gefragt, ob sie ihrem Entschluss treu bleibe.
Mann war Zeuge des vierten Gesprächs und nahm das Unverständnis des Fragestellers wahr.

2 Tage nach der Impfaktion schloss das Heim seine Türe für BesucherInnen.
Scheinbar erkrankten in der Zwischenzeit einige geimpfte Personen.
War COVID verantwortlich oder reagierten die SeniorInnen auf die Impfung? Niemand wusste es.

Gestern wurde auf Anweisung des Kantonsarztes bei allen HeiminsassInnen ein obligatorischer COVID-Test durchgeführt.

Jetzt warten meine Mutter und ihre KollegInnen im Zimmer auf den Befund. Sie weiss nicht, wie es weitergehen wird, leidet unter dieser Ungewissheit und der Isolation.
Auch das Pflegepersonal ist überaus gefordert. Die Stimmung ist angespannt.

Wahrlich eine spezielle Zeit.

3. Januar 2021

1 Kommentar

Leave a Reply to Jael Kromer Abbrechen

  • Wahrlich strube Zeiten – wagen wir zu hoffen, dass die Mutter und liebe Oma bald wieder zu etwas Normalität zurück finden darf.

    Alles Liebe

    j.