Internationales Quartiersträsschen

I

Beim Besuch der feingliedrigen Seetulpen-Rose in unserem Garten betätige ich mich als Pflanzenkundler.

Die Lavendel erinnern Frau und Mann an Schweiss treibende Fahrradtouren durch den Luberon, ein geschichtsträchtiger und ziemlich hügeliger Teil der französischen Provence.

Der Rosmarin weckt immer wieder Sehnsucht nach dem Mittelmeerraum.
In diesem wollte das Ehepaar vor Jahren den noch sehr jungen Söhnen unvergessliche Strandferien bieten.
Nach vier Wochen Sonne, Meer, Pizza und Gelato küssten beide Jungs bei der Heimkehr zur Überraschung ihrer Eltern den Hausflur und dankten der Schöpfungskraft endlich wieder zu Hause zu sein.

Der kletterfreudige Sternjasmin aus Asien erobert langsam unseren Gartenzaun und einen Teil der Hausfassade.

Wahrscheinlich haben das fleissig wuchernde Unkraut und das Kleine Schneeglöckchen lokale Wurzeln.

Vor der Haustür wächst der grossblättrige Irische Efeu kraftvoll eine Strassenlampe hoch.
In seinem dichten Gestrüpp leben zahlreiche einheimische Vogelfamilien mit hungrigen Küken, welche lautstark nach Würmern und anderen Delikatessen zirpen.

Auf der anderen Trottoirseite umschwirren Insekten eine luftig elegante Asiatische Kornelkirsche.

Ein paar Meter weiter verliert Mann die Orientierung.
Sein intelligentes Gerät meint, dass es bei dieser Palmenart sich um eine Chinesische Hanfpalme handle, sie aber auch eine Mexikanische Washingtonpalme sein könne.
Richte ich die Kamera meines kleinen Unterstützes auf den Stamm, kommen auch eine Hyäne und ein Wolf in Frage.
Ich habe Respekt, dass diese Pflanze unserem Winter standhalten kann.

Zwei Häuser weiter schieben einzelne Magnolienblüten schüchtern ihre Masken auf die Seite. Sie scheinen der Sonnenkraft noch nicht zu trauen.

An der Strassenecke thront prachtvoll und überaus verschwenderisch ein mächtiger Japanischer Kirschblütenbaum.
Vor wenigen Jahren besuchte das Ehepaar das Schloss Schwetzingen nahe bei Heidelberg. In dessen Schlossgarten laden jeden Frühling die Blüten der japanischen Zierkirsche zu einem Fest der Sinne ein.
Wir sahen unzählige Damen und Herren in Barock- und Rokokogewändern gekleidet unter dem Baldachin der Kirschblüten flanieren. Einzigartig.

Der einheimische Kirschbaum in unserem Garten sammelt derweil noch seine Kräfte um in einigen Wochen sein Hochzeitskleid überzustreifen, die Bienenwelt und mich trunken zu machen.

Ich mag das Grosse im scheinbar Kleinen.

8. März 2021

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