König ohne Krone

K

Friedlich und flauschig übernahm Herkules im Alter von 4 Monaten im August 2004 das Zepter.
Das süsse Katzenbaby sicherte sich das Wohlwollen seiner neuen Untertanen alleine durch sein Sein.

“Alles für die Katze” war fortan die Devise im royalen Haushalt.

Internen Revolten musste Herkules sich nie stellen, die Gunst seiner Untergebenen stand in keinem Moment zur Diskussion.

Seine Tollpatschigkeit, Verspieltheit und Anhänglichkeit verzauberten auch den zuerst kritisch eingestellten Hausvater.
Tag und Nacht stand die Familie dem ungekrönten Oberhaupt zur Verfügung, welcher erfreulicherweise einen bescheidenen Lebensstil pflegte.

Mit natürlicher Selbstverständlichkeit und Lässigkeit absolvierte Durchlaucht seine Staatsbesuche in den Wohnungen der Nachbarn, wo er sich kulinarisch verwöhnen liess.

Die genaue Grösse seines Reichs kann niemand von uns genau benennen.
Über seine nächtlichen Streif- und Eroberungsfeldzüge verlor unser Kater kein Miauen, tagsüber sonnte er sich, ruhte auf einem seiner diversen Throne oder auf einem Schoss und liess sich liebkosen.

Gegen ungebetene Staatsvisiten anderer Miezekatzen setzte er sich energisch zur Wehr.
Trotz seiner geraubten Manneskraft stand er lange seinen Mann. Sein Garten war ihm heilig, seinen Machtanspruch tat er lautstark und unmissverständlich kund.
Immer wieder agierte sein Hofstaat im Sinne von UNO-Schlichtungskräften, bewaffnet mit gefüllten Wasserbechern oder als Sanitätsteam.

Ferien hätte er uns nicht bewilligt. Unsere Rückkehr nahm er er jeweils mit mürrischem Ausdruck zur Kenntnis, seine Gewogenheit mussten wir uns wieder erschmeicheln.

Auch Adlige altern, werden gebrechlicher. Unsere Majestät verlegte seinen Reichssitz mehr und mehr ins Hausinnere.
Der Garten entwickelte sich derweil zum viel begangenen Catwalk von Katzen jeglicher Rasse, welche starke Duftmarken hinterliessen.

Den König interessierte dies nicht mehr. 18 Jahre Regentschaft schienen ihm zu genügen.
Er konzentrierte sich fortan auf das Wesentliche: Sein Futter und seine Schlafplätze.

Zunehmend distanzierte er sich physisch von uns, schien sich zu sammeln und sich würdevoll auf das Unabänderliche vorzubereiten.

Buon viaggio, lieber König.

12. Februar 2022

2 Kommentare

Leave a Reply to Gundula Abbrechen

  • Ein wunderbarer Text.
    Den würde ich bri einem Schreibwettbewerb bestimmt prämieren,
    Lieben Gruss
    Beat
    PS
    Gestern konnte ich in Winterthur zwei Katzen-Könige (Geschwister) beobachten beim Sohn meiner Liebsten.
    Sie teilen sich ihr Reich und ihre Aufgaben auf, das Prinzip dahinter blieb mir aber verborgen