Im Basler Kannenfeldpark

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In seinem Roman “Hunkeler in der Wildnis” lässt Hansjörg Schneider einen Mann im Kannenfeldpark gewaltsam sterben. Die Mordwaffe ist eine Boule-Kugel.

Ich fühlte mich beim Lesen zu Hause, weil ich die beschriebenen Örtlichkeiten persönlich kenne, sie bei der Lektüre vor mir sah, sie mit bestimmten Gerüchen und Erlebnissen in Verbindung bringen konnte.
In meiner Jugend hatte ich viel freie Zeit in diesem Park verbracht. Die Hauptfigur von Schneiders Roman, der pensionierte Kriminalkommissar Hunkeler, ist beispielsweise gerne Gast in dem Restaurant, wo ich mein erstes und letztes Bier Grenadine trank.

Die Lektüre weckte meine Lust, den Tatort des Romans wieder zu besuchen.

Lebendig und feurig ging es am letzten Sonntag zu und her bei meinem Rundgang in der grössten Parkanlage Basels .
Etliche Ballone, angehängt an Ästen und Büschen, zeugten von Jubiläumsfeiern. Grills aller Grössenordnungen schickten einander Rauchzeichen zu.

Schön war es den Hügel zu besuchen, wo ich meine ersten rasanten Abfahrten auf den Holzskis absolviert hatte.
Am Sonntag überzeugte ich mich davon, dass der Hang sicher 4 Meter lang war und ein Gefälle von mindestens 1,5% aufwies.
Ich erinnere mich, dass nach wenigen Abfahrten der Schnee verschwunden war und meine Skis im braunen Matsch steckenblieben.

Im Nachhinein bin ich froh, dass die rostigen Skikanten keine Gebeine aus der Erde gerissen hatten.
Zwischen 1868 und 1933 hatte der Kannenfeldpark als Gottesacker gedient. 42’000 Personen wurden in diesem Zeitraum dort bestattet.

Nach dem Bau des Friedhofs am Hörnli wurde der Gottesacker Kannenfeld aufgehoben.
Mit viel Feingefühl liess die Basler Regierung später viele Grabsteine zermalmen, um sie in veränderter Form beim Bau von Parkplätzen für das Fussballstadion St. Jakob und im Rheinhafen zu verwenden.

Auch habe ich in Erinnerung, dass bei meinen ersten Versuchen zu rauchen der Glimmstengel im Kannenfeldpark vorne in meine Hose fiel.
Mein anschliessender, scheinbar sehr lebendiger, Befreiungstanz wäre in den heutigen sozialen Medien als Lachnummer bei der Rubrik “Pleiten, Pech und Pannen” anzusiedeln.

Vor 43 Jahren joggten ein Kollege und ich durch den Park. Eine Studienkollegin von mir gesellte sich dazu.
Spontan und unerkannt schloss Amor sich an. Heute noch joggen mein Kollege und meine ehemalige Studienkollegin miteinander durchs Leben.

Am letzten Sonntag sah ich keine Boule-Kugeln, dafür beim Kiosk-Café etliche Personen sitzen, welche markante Ähnlichkeiten mit Frauen und Männern aufwiesen, die Hansjörg Schneider in seinem Werk detailliert beschrieb.

Spannend wäre dem Kannenfeldpark zuzuhören, wenn er über Beobachtetes erzählen könnte!

18. August 2022

2 Kommentare

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  • Lieber Markus
    Spannend war es zu lesen, sozusagen ein kleiner Krimi aus deinen Jugendjahren – mit unbewusster Störung der Totenruhe, Selbstverletzung durch Zigarette und Joggen ‍♂️ mit amorösen Nebenwirkungen.
    Herzlichen Dank.
    Lieben Gruss
    Beat

  • Wie schön, so lustig der Befreiungstanz, so schön,Amors Pfeil. Ich kenne das Buch auch.Ich freue mich jedes Mal über deine Texte