Free hug

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Zwei Tage, bevor Herr Frühling aus dem Winterschlaf erwacht, wird das Paar beim Bummeln in der Freien Strasse überrascht.
Eine Frau und ein Mann präsentieren ein schriftliches Angebot. “Freie Umarmung” tönt verlockend. Die gegenseitige Umarmung wirkt magisch.
Wir lächeln, tauschen uns aus, nehmen das Angebot nochmals wahr.

Die “Gratis Umarmungen-Kampagne” initiierte 2004 der Australier Juan Mann in Sidney. Sie erreichte bald Kultstatus, bis die Stadtverwaltung sie stoppte. Sie forderte eine Versicherung für allfällige Verletzungen, welche beim Akt der Umarmung entstehen könnten.
Der öffentliche Druck zwang die Staatsbürokraten von ihrer Forderung abzulassen. Heute kann man weltweit den free hug geniessen.

Am folgenden Mittag empfangen eine kühle Bise und Blumenwiesen das Paar auf der Passhöhe des Benkerjochs.
Es ist ein Genuss dem Blütenmeer entlang zu wandern, zwischendurch auf Aarau runterzublicken und später Weitsicht über Teile des Juraparks und des Schwarzwalds zu haben.

Auf der Salhöhe überqueren wir eine Weide mit grasenden Kühen. Wir machen keine Werbung für die “Gratis Umarmungen-Kampagnagne”.

Nach dem Aussichtspunkt Burg steigen wir durch einen Märchenwald, in welchem die Natur sich selbst überlassen scheint, ins Tal runter.
Zwei Bäume, bedeckt mit Moos, liegen eng nebeneinander. Ein Holzriese scheint seinen Nachbarn zärtlich mit seinen Ästen zu umarmen, zu beschützen.
Riesige Pilze, sie gleichen Lötschentaler Hexenmasken, dekorieren einen Buchenstamm. Eine gigantische Weinbergschnecke hängt einen Meter über dem Boden an einem Farnstengel.
Lautes Summen von Wildbienen erfüllt den Wald. Beim Rasten schauen wir den hin und her hastenden Ameisen zu.

In Gedanken bin ich beim Kilofilm “La vie dans les bois”. Mathieu ist erschöpft, gestresst von seiner Arbeit und Problemen im Privatleben. Er entzieht sich dem Hamsterrad, stellt sein Natel ab und zieht sich für wenige Tage an einen Teich im Wald neben seinem Wohnhaus zurück.
Mathieu badet, zwitschert mit den Vögeln, staunt über die Farben des Waldes, sammelt Waldbeeren, kommt zur Ruhe.
Sein Umfeld reagiert zunehmend panisch auf seine Verweigerung, Alltagspflichten wahr zu nehmen.
Ich mag diesen belgischen Film, dessen offenes Filmende viel Raum für Spekulationen bietet.

Vor Wölflinswil hüpfen Scharen von Spatzen auf frisch geschnittenen Wiesen umher, hetzen zu nahe stehenden Kirschbäumen, ziehen nervös Schlaufen am Himmel.

Ich schaue entspannt zu.

21. Mai 2023

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