Sisyphus in Mahahual

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Herrliche Düfte ziehen aus der Bäckerei im Erdgeschoss zu mir hoch.
Pelikane gleiten erhaben und elegant über die Palmen, welche zwischen dem Meer und unserer Unterkunft sich im Wind wiegen.

Wellen sind sicht- und hörbar.
Das Belize-Barreer-Riff, scheinbar das zweitgrösste Riff der Welt, bricht die Brandung vor Mahuahual.
Das Meer erscheint von der Veranda aus wie ein unendliches transparentes Bassin,
Ferienprospekt-Iidylle total.

Ich mag dieses ehemalige Fischerdorf, welches sich bemüht, TouristInnen anzuziehen, sehr.

Wir absolvieren Aktivurlaub à la Sisyphus, mit Garantie auf tägliche Durchführung .
Regelmässig bücken sich Frau und Mann nach angeschwemmtem Müll am Strand, fischen Plastiksäcke, Zahnbürsten, Unrat jeglicher Art und Grösse aus dem Wasser.
Schweizer Zivildienst-Leistenden würde an der Costa Maya die Arbeit nicht ausgehen.

Ein Fischer gibt den Menschen in Honduras die Schuld für diese Misere.
Der Mitarbeiter einer Strandbar meint, dass es Teil der hiesigen Kultur ist, Benutztes achtlos wegzuwerfen.

Mexikanische Frauen und Männer lassen uns Gringos tolerant und nachsichtig gewähren, während sie im Schatten ihr Getränk konsumieren.

Angestellte entsorgen ohne Hast den Müll und Sargassum auf der Strandparzelle ihres Restaurants.
Auf Strandabschnitten, frei von Gastronomiebetrieben, sonnt sich der Abfall in aller Ruhe.

Seit einigen Jahren werden, vor allem im Frühling und Sommer, enorme Mengen Sargassum, Golftang, an die wunderbaren Strände der Costa Maya geschwemmt.
Die Algenteppiche beeinträchtigen den Strandbesuch teilweise massiv.
Für die Halbinsel Yucatán, auf welcher fast 90% des Einkommens mit dem Tourismus erzielt wird, ist dies eine beträchtliche logistische Herausforderung.

Scheinbar beeinflussen die steigenden Temperaturen und die riesige Menge landwirtschaftlicher Abwässer aus dem Amazonasgebiet das Wachsen dieser Braunalgen im Meer nachhaltig.

Derweil wir unsere Arbeit verrichten, wartet die lokale Bevölkerung auf die TouristInnen, welche schwimmenden Städten entsteigen. In Mahahual docken Kreuzfahrtschiffe an.

Masseusen sitzen auf ihren Tischen, Männer harren in ihren Booten aus, um TouristInnen zum Riff zu fahren, wo sie schnorcheln oder tauchen können.
In jedem Restaurant und Verkaufsshop sitzen Mann und Frau auf Abruf bereit auf Plastikstühlen.

Die Szenerie erinnert mich an den Film “El baño del Papa”.
In diesem erwartet ein Städtchen in Uruguay  den Besuch des Papstes und 50’000 BesucherInnen aus Brasilien.
Die lokale Bevölkerung möchte von diesem Anlass profitieren.
Beto beispielsweise will die Tatsache, dass Menschen natürliche Bedürfnisse haben, wirtschaftlich nützen.
Er schmuggelt mit grösster Mühe eine WC-Schüssel aus Brasilien in sein Dorf.
Schlussendlich zerstört ein Sturm seine Geschäftsidee und die Hoffnungen der EinwohnerInnen seines Wohnorts brutal.

Bisher erlebte ich keinen Ansturm der Schiffsreisenden.

30. Januar 2023

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